Die Geschichte von Neuenstein



Großvater bitte erzähle uns doch die Geschichte wie Neuenstein entstanden ist. Na gut. Ihr seid jetzt alt genug. Nehmt euch alle noch einen Becher Milch und kommt näher ans Feuer.
Also das war so …

Unser Dorf liegt im Süden von Lodybeydschan einige Tagesreisen von der Hauptstadt Katschirg entfernt, idyllisch an einem kleinen See gelegen.
Die Einwohner sind ausschließlich Handwerker und Bauern, die dort ihre Arbeit für sich und Kaiser Yorek verrichten. Frieden liegt in der Luft und man ist sehr dankbar dafür, aber das war für uns nicht immer so…

Das Dorf wurde erst vor drei Generationen von Flüchtlingen aus Falkenstein gegründet. In diesem Land herrschte ein erbitterter Bürgerkrieg zwischen der Krieger- und der Magierkaste, dessen Auslöser kaum noch jemand kennt. In den Geschichten der Alten wird von Verrat und Mord eines Magiers an einem Kriegerfürsten berichtet. Dieser Generationen währende Krieg hatte das Land schon an den Rand des Unterganges gebracht und es herrschten dort nur noch Chaos und Anarchie. Die Handwerker- und Bauernkaste wollte sich aber nicht auf die Seite eines der Widersacher schlagen. Fast unvermeidlich gerieten die friedlichen Leute zwischen die Fronten der beiden streitenden Parteien, weil diese ihnen vorwarfen, jeweils dem Anderen zu helfen. Dies entsprach auch der Wahrheit, aber auch nur weil man unter Zwang gehandelt hatte. Wer würde keine Lebensmittel geben, wenn ihm ein Schwert an den Hals gehalten wird. Zudem wollte man so versuchen den Konflikt zu schlichten. Denn nur wenn alle drei Kasten zusammen gehalten hätten, wäre der Untergang des Landes noch zu verhindern gewesen.
Letztendlich führte es aber dazu, dass die Handwerker und Bauern unerbittlich gejagt wurden und viele sinnlose Tote zu beklagen waren. Als die Alten der verschiedenen Innungen merkten, dass ein hier bleiben nur zur sinnlosen Ausrottung ihrer Kaste führen würde, beschlossen sie die große Flucht nach Osten. Über das Groll Gebirge und über das große Meer. Man hoffte auf der anderen Seite ein friedliches, einfaches Stück Erde zu finden, auf dem es ihnen erlaubt würde sich anzusiedeln. Dies war zwar eine geringe Hoffnung aber immer noch besser als die vorhandenen Aussichten in ihrem eigenen Land.
So wurde unter großer Geheimhaltung und mit Hilfe einiger befreundeten Krieger und Magier, die damit ihr Leben riskierten, die Flucht geplant und in die Tat umgesetzt. Es wurden Führer für den Weg über die Berge angeheuert und Schiffe für die Überfahrt organisiert. Zu einem festgesetzten Zeitpunkt, genau in der längsten Nacht des Jahres, wurde ein Sammelpunkt vereinbart von dem der Exodus dann starten sollte. Einige freiwillige Bauern wollten zurück bleiben, um den Schein zu waren, so dass die Flucht des größten Teils der einfachen Leute hoffentlich erst spät bemerkt würde. Leider wurde der Plan kurz vor der Umsetzung verraten und nur ein geringer Teil der Bevölkerung, in etwa 2000, die aus Dörfern in der Nähe des Gebirges kamen, konnte den Weg auf sich nehmen. Der größte andere Teil der Kaste wurde vorher schon in ihren Dörfern festgesetzt. Da diese Geschichte von einem Überlebenden geschrieben wurde, ist bis heute nicht bekannt, was aus den Zurückgebliebenen geworden ist oder wer sie verraten hat. Es ist das schlimmste zu befürchten und es ist auch später keinem mehr die Flucht gelungen. Zumindest ist uns nichts davon bekannt. Ein wenig Glück im Unglück blieb den Flüchtlingen doch. Der Vorsprung vor den Truppen, die sie verfolgten, war so groß, dass sie nicht mehr eingeholt werden konnten. Das war vor allen Dingen den hervorragenden Führern zu verdanken, die das Gelände wie ihre Westentasche kannten. Der Weg brachte aber große Gefahren mit sich und Opfer blieben nicht aus. Einige Unvorsichtige stürzten in den Bergen ab und in einem heftigen Sturm auf See sanken etliche Schiffe. Als nach vielen Tagen dann endlich Land in sicht war, konnte nur noch ein Teil von etwa 1000 Seelen das hoffentlich rettende Ufer betreten. Es war Nacht und ein Haufen verwahrloster, von der Flucht gezeichnete und verängstigte Flüchtlinge stellte sich die bange Frage, was die Zukunft wohl bringen würde.

Die Flüchtlinge landeten am Strand von Romanov, wie sie später erfuhren, und schickten sofort Späher aus, um die Umgebung zu erkunden und Wasser und Nahrungsmittel zu besorgen. Der Plan der Ältesten war, erst einmal unbemerkt zu bleiben und die Gesinnung der Einheimischen zu erkunden, bevor man sich zu erkennen gab. Die Angst war sehr groß dasselbe zu erleben, wie in ihrer Heimat und deshalb diese Vorsicht. Der beste Weg dazu war es immer in Bewegung zu beleiben, um nicht aufzufallen. Nachts sollte gewandert werden und tagsüber wollte man in einem von den Spähern ausgesuchten Versteck verweilen. So sollte es dann auch geschehen. Die Schiffe wurden versenkt, die Spuren am Strand beseitigt und danach setzte sich die Karawane wieder in Bewegung. Einige Tage und Nächte vergingen, als ein Späher von den hohen Gebirgspässen eines mächtigen Gebirgszugs im Osten zurück kam und von einem Maja berichtete, der dieses Land auf der anderen Seite der Berge regierte und dass dort Frieden herrschte. In Anbetracht der bis jetzt sehr langen Flucht und dem sehr schlechten Zustand vieler Reisenden, beschloss man nun sich zu erkennen zu geben. Ab jetzt wurde Tagsüber gewandert. Und so erreichten sie einen Gebirgspass, der von Soldaten bewacht wurde. Diese merkten sofort, dass es sich nicht um eine feindliche Macht handelte, die ihr Land betreten wollte. Die erbarmungswürdigen Gestalten, die ihnen gegenüberstanden ergaben sich sofort und so gab es keine Schwierigkeiten sie in die Hauptstadt Katschirg zu bringen. Dort wurden sie außerhalb der Stadt in einer Art Lager untergebracht und notdürftig versorgt. Nachdem sie über ihre Flucht berichtet hatten, bekamen sie die Anweisung einen oder mehrere Sprecher aus ihren Reihen zu wählen, welche dann einige Tage später dem Gottkaiser vorgeführt werden sollten um ihre Bitte noch einmal persönlich vorzubringen.
Sie nahmen jeweils den ältesten Vertreter aus jeder Innung der die Flucht überlebt hatte. Das waren Urs Siebenstein der Schmied, Gottfried Mahler der Zimmermann, Konrad Bacher der Schneider, Ferfried Hauser der Bauer, Louis Kern der Bordefeller und Karl Zeier der Fischer. So standen die sechs Ausgewählten nun einige Stunden später von seiner Heiligkeit Gottkaiser Maja und seinem Erzkanzler. Während der Herrscher vor ihnen auf seinem erhöhten Thorn saß und die sechs Gestalten eindringlich musterte, schritt sein oberster Beamter, Erzkanzler Karhuld, auf sie zu. Er ging ums sie herum und es dauerte einige Zeit bis er das Wort an sie richtete und fragte warum seine Heiligkeit Maja sie nicht wieder ins Meer treiben sollte, wo sie doch ohne Erlaubnis sein Land betreten hätten. Da er keinen Bestimmten angesprochen hatte, faste der älteste der Gruppe, Konrad Bacher der Schneider, allen Mut zusammen, berichtet von den Ereignissen in seinem Heimatland, von der großen Flucht und den viele Opfern die sie zu beklagen hatten. Am Ende fiel er auf die Knie und bat Maja um Asyl für ihn und seine Landsleute. Wieder schwieg der Kaiser und Karhuld fragte, was denn Lodybeydschan mit ihren Problemen zu tun hätte und welche Vorteile es seiner Heiligkeit und seinem Land denn bringen würde, ihnen ein Stück Erde zu geben. Diesmal trat Karl Zeier der Fischer vor und sagte ihm, dass sie friedliche Leute wären, die keine Gefahr darstellten. Sie könnten ihm zwar nichts von Wert bieten, da sie alles verloren hatten, aber sie wären alle samt gut ausgebildete Handwerker und Bauern, die es nicht scheuen hart zu arbeiten. Er versprach ihre ganze Kraft dem Gottkaiser zur Verfügung zu stellen und das man bei seiner Gnade ihm immer treu ergeben wäre. Sie wären bereit ein unbewohnbares Fleckchen Erde zu nehmen und er würde sehen, dass sie es in kürzester Zeit in eine blühende Oase verwandeln würden. Wenn sie das nicht schaffen würden, könne er sie immer noch vertreiben uns sie würden ihr Glück woanders versuchen. Daraufhin winkte Maja seinen Erzkanzler zu sich und flüsterte ihm etwas zu. Von seinem goldenen Thron blickte er streng auf die Bittstelle und Karhuld verkündigte dann, dass seine Heiligkeit bereit wäre ihnen ein kleines Stück Erde zu überlassen, auf dem sie sich ansiedeln könnten. Es gäbe tatsächlich eine Region, in der es keinen guten Boden für Landwirtschaft und schlechte Weiden für Vieh gäbe. Er erinnerte sie aber an ihre Versprechungen. Als Bedingung dafür müssten sie ihm aber versichern, innerhalb von zwei Jahren gute Erträge zu erzielen. Als weitere Bedingung verlangte er im Falle ihres Versagens die Köpfe der sechs Sprecher als Strafe für ihre ungerechtfertige Prahlerei.
Der Rest der Geflüchteten sollte in diesem Fall jedoch unbehelligt weiterziehen könne, um sich in einem anderen Land anzusiedeln. Die Sechs wurden nun weggeschickt und sollten in zwei Tage ihre Entscheidung bekannt geben. Sie verabredeten untereinander nur davon zu berichten, dass sie zwei Jahre Zeit hätten eine unbewohnbare Region zu bewirtschaften und bei Versagen verjagt zu werde. Dass der Gottkaiser als Tribut ihren Kopf gefordert hatte, behielten sie für sich. Die Gruppe hätte dem nie zugestimmt und wäre lieber weiter gezogen, aber dass hätten sehr viele nicht länger überlebt. Das wussten die Ältesten.
Nach zwei Tagen teilten sie Maja mit das sie sein Angebot annehmen wollten und schon einen Tag später setzte sich die Karawane in Gang und sie wurden in ihre neue Heimat gebracht. Eine Woche später kamen sie erschöpft von der Reise an einem kleinen See vor einer Bergkette zum stehen. Es war kalt und die Landschaft war karg und trostlos. Genau wie es Maja mitgeteilt hatte. Die Begleiter überließen ihnen einige alte verrostete Werkzeuge, alte Zelte und ein paar abgehalfterte Stück Vieh. Sie verließen die endlich Angekommenen mit den Worten " In zwei Jahren werden wir nach euch sehen, aber glaubt nicht, dass ihr euch heimlich aus dem Staub machen könnt. Majas Augen sind überall"

Der Anfang in der neuen Heimat war schwer aber nun mussten sie endlich keine Angst mehr vor Verfolgung und Mord haben, denn nun standen sie unter dem Schutz des Gottkaisers. Leider hatte sich ihre Zahl zu Beginn der Zeit in Lodybeydschan weiter verringert, da die Angeschlagenen und Kranken das raue Klima bei den kargen Verhältnissen nicht überlebten. Nur die Gesunden und Starken hatten hier eine Chance und so machten sich letztendlich nur noch 500 von 2000 auf die Flucht gegangenen Seelen an die Arbeit das Land zu bestellen, das Vieh zu päppeln und zu züchten und ein neues Dorf für sich zu errichten. Der Name sollte etwas aus ihrer alten Heimat beinhalten und den Neuanfang symbolisieren.

So nannten sie es Neuenstein!

Es wurden gemeinsam zuerst die wichtigsten Gebäude errichtet. Eine Schmiede, eine Mühle, Ställe für das Vieh und Boote für die Fischer. Eine Gruppe wurde in die Wälder geschickt, um zu jagen und die Gegend zu erkunden. Andere wurden in die Berge gesandt um Erz zu finden und abzubauen. Die Bauern fingen an das Land zu beackern und die Fischer holten die ersten Fische aus dem See. Bald hatte fast jede Familie ihre eigene Hütte und der Ort wuchs.
Es schien so, als ob sie es ohne große Hindernisse schaffen könnten hier eine neue Heimat zu errichten in der sie sich wohl fühlten. Nach einigen Monaten aber machten sich die ersten Probleme bemerkbar. Die Bauern schafften es nicht den Boden so fruchtbar zu machen um wirkliche Erträge zu erzielen und mit der Zucht des Viehs klappte es auch nicht so recht auch wenn sie sich dabei die größte Mühe gaben. Der See war schnell leer gefischt und das Wild wurde auch immer weniger. Jetzt stand auch noch der Winter vor der Tür und man hatte kaum Vorräte für die kalten Monate.
Das erste Jahr war fast um und sie hatten noch nichts erreicht. Die sechs Sprecher, welche jetzt auch den Ältestenrat des Dorfes bildeten, waren ratlos. Fest stand, dass sie bei Maja nicht um Hilfe bitten wollten, auch nicht ihre Köpfe zu riskieren. Sie hatten ja auch noch ein Jahr und einen Sommer Zeit ihr versprechen zu erfüllen. Wichtig war es jetzt den Winter zu überleben. So beschlossen sie eine große Halle zu bauen, in der alle Dorfbewohner den Winter gemeinsam verbrachten und alle Vorräte des Dorfes wurden zusammengetragen. Man wollte nicht, dass irgendeine Familie über Nacht erfriert oder verhungert, weil ihr Oberhaupt vielleicht krank ist oder sie es nicht geschafft hatten genug Vorräte zu sammeln und zu stolz war, um Hilfe zu bitten.
Ferfried Hauser hatte die Aufgabe die Lebensmittel so zu rationieren, dass es über den Winter langte. Auch das Vieh bekam eine Ecke in der Halle, was nicht unbedingt für guten Geruch und gute Stimmung sorgte. Man wollte nicht, das irgendjemand oder irgendetwas außerhalb der Gruppe übernachtete, denn jedes Lebewesen war für das Überleben wichtig und je mehr den nächsten Frühling erleben, desto größer wäre die Chance hier richtig Fuß zu fassen. So wurde es gemacht aber man wollte auch nicht den Winter untätig vorüber gehen lassen. Die Gruppe der Jäger wurde vergrößert und Louis Kern wurde ihr Führer. Sie bekamen den Auftrag noch weiter weg zu gehen, um Wild zu finden oder vielleicht andere Bewohner zu finden und Handel zu treiben. Auch wurden jetzt mehr Männer die Berge geschickt um Erz abzubauen, auch wenn es jetzt gefährlicher war und auch nur an klaren Tagen. Der Schmied Urs Siebenstein wurde zum Oberhaupt der Bergmänner und Schmiede ernannt und hatte die Aufgabe bekommen in dieser Zeit Werkzeuge und Waffen herzustellen, damit sie im nächsten Jahr bessere hatten als die Alten. Da es zwar viele Bergmänner gab aber nur wenige Schmiede, bekam er einige Buben zur Seite gestellt, die bei ihm in die Lehre gehen sollten. Darunter war auch sein Sohn. So wurde es auch bei den anderen Handwerksmeistern gemacht.
Gottfried Mahler der Zimmermann bekam die Holzfäller und Waldarbeiter unterstellt und nahm einige Buben in die Lehre. Dasselbe machte Konrad Bacher der Schneider, Ferfried Hauser der Bauer und Müller, Louis Kern der für die Jagd und die Lederherstellung verantwortlich war und Karl Zeier der Fischer. So wurde von ihnen der Grundstein für die bei uns heute bekannten Innungen gelegt. Alle zogen an einem Strang und so schafften sie es den ersten harten Winter zu überleben. Die Jäger fanden Wild, wenn auch nicht viel aber es reichte. Die Bergmänner förderten neben dem wichtigen Erz für die Schmiede auch einige Edelsteine und etwas Gold, mit dem sie dann Handel treiben konnte. Der Fischermeister stellte zusammen mit dem Schneider und einigen Helfern und Lehrbuben Netze und Segel her. Der Bauer kümmerte sich um das Vieh und der Zimmermann baute die Halle weiter aus. So hatte jeder Beschäftigung und keiner konnte sich große Gedanken um die Kälte und den Hunger machen…