Das Volk der Träumer

Teil 1 - Die Mühle des Zauberers





Im Süden der Kernprovinz Lodybeydschans, fernab der Hauptstadt Katschirg befand sich dereinst ein Dorf names RübakinaMorie.
Fischerhütten säumten den Strand zum großen See, dessen Wasseroberfläche in den Morgen- und Abenstunden wie ein großer silberner Spiegel in der Sonne glitzerte. Viele bunte Fischerboote tanzten auf den Wellen. Hinter den Plätzen, an denen die Fischer ihre Netze zum Flicken und Trocknen aufspannten, begannen die Kornfelder: Welch eine Augenweide in den Sommermonaten, wenn das reife Korn gleichfalls durch den Wind wie in golden Wellen wogte. Ja, dies war der richtige Platz zum Träumen. Hier hätte jederman satt und zufrieden sein können. Es ist jedoch nicht des Menschen Eigenart - sich ausschließlich an den Dingen zu erfreuen, die er schon besitzt.

***

Die Zeit des großen Krieges, die ganz Lodybeydschan so fest im Würgegriff hielt, blieb hier fast unbemerkt. Fernab der Städte und Siedlungen lebten sie ihr beschauliches Leben wie eh und je. Sehr selten und dann auch nur sehr zufällig verirrte sich mal ein Fremder in die abgeschiedene Gegend. Es schien, als ob die Zeit hier stillsteht. Die Ursache für ihre Abgeschiedenheit lag aber nicht nur an Entfernung zu den Städten. Warum die Fischer und Bauern glaubten, dass hier zu leben das beste sei und man möglichst nichts mit den "Anderen" zu tun haben sollte, dafür gab es noch einen anderen Grund:

Das Zentrum des Dorfes bildete ein Ring aus fünf weißen, prächtigen Steinhäusern in deren Mitte am Brunnenplatz der Eingang zur großen Gemeindehalle lag. Diese fünf Häuser gehörten den Händlern. Sie waren die uneingeschränkte Autorität, die Weisen, die Navigatoren. Sie sorgten seit altersher dafür, dass die von Fischern und Bauern hergestellten Waren sicher in die weit entfernten Städte gebracht wurden und dringend benötigte Waren zum Wohl aller sicher nach RübakinaMorie gelangten.
Die Händler waren es, die das Umland jenseits der Wälder hinter den Weiden und Kornfelder kannten und wußten, welcher Weg zu nehmen ist, um den Gefahren zu entrinnen. Und Gefahren gab es ringsum RübakinaMorie mehr als reichlich. Jeder Rübakianer wußte, dass die sichere Welt, die Heimat nur bis zum Rand des Waldes sich erstreckt.

Heimgekehrt von der abenteuerlichen Handelsreise war es der Brauch, dass alle Bewohner zur großen Zusammenkunft sich in der Gemeindehalle einfanden. So wie die Tradition es verlangte, gab der heimgekehrte Händler an alle Bewohner seinen Bericht und schilderte die Erlebnisse und wie es so zuging in der fremden, gefährlichen Welt. Staunend und voll Furcht hörten die Bewohner RübakinaMorie von dem blutigen Treiben der wilden Orkscharen, dem tückische auflauernden Dunkelelben am Wegesrand, bösen Zauberern, die mal mir nichts dir nichts - ganze Warenladungen einfach verschwinden lassen konnten; und waffenstrotzde, erbarmungslosen Kriegern, die ohne Zaudern einem die Kehle aufschlitzen können. Furchtsam lauschten sie, wie wüste Tiere Menschen zerreißen konnten - wilde Horden plündernd und brennend arglose Karawanen überfallen. Es hieß, in der Welt herrsche KRIEG. Eindrucksvoll schilderten sie den erfurchtsvoll Lauschenden - wie sie listenreich drohende Gefahren umgingen und tapfer alle Angriffe mit Hilfe ihrer Gards auf die Handelskarawane abwehren konnten.
Voll Dankbarkeit, dass RübakinaMorie so gut bewacht und beschützt wird durch die Weisheit der fünf Händler, endete stets jede Gmeindezusammenkunft mit einem großen Volksfest zu deren Ehren.
Niemals wäre es also einem Rübikianer eingefallen, allein über die Grenzen des Waldes hinaus zu ziehen. Der Gefahr einer Reise setzten sich nur die Händler in Begleitung ihrer Gards aus.
Keiner der Gards stammte aus RübakinaMorie. Die Gards waren fremde hühnenhaftige Männer, die alle eine Eigenart aufwiesen, sie waren alle stumm. Niemand konnte sich daran erinnern, wann ein Händler die ersten Gards mit ins Dorf brachten - es war schon ewig her. Jedenfalls war es für jeden verständlich, dass bei so viel Gefahr draußen vor den Wäldern die klugen Händler und ihre Waren tatkräftigten Schutzt brauchten. War ein Händler nicht gerade unterwegs, so sorgten die Gards für Ruhe und Ordnung im Dorf auf geheiß des Händlers. Jeder Händler hatte einen Trupp von zwölf Gards, die hinter seinem Haus ihr Quartier hatten.

So war seit jeher die gute Orndung in RybakinaMorie bestimmt. Jederman war's zufrieden, die Händler erledigten für sie den gefährlichen und schwierigen Transport ihrer Waren in die großen Städte. Da war es selbstverständlich, dass die Hälfte der Gewinne für Ihre Mühen an sie ging.
Der Rat der fünf Händler kannten die Welt - jederman wandte sich Rat suchend an sie. So war es nur natürlich, dass sie auch alle wichtigen Entscheidungen für das Dorfleben trafen. Sie sprachen Recht und sorgten für die Ausführung dieses Rechts - sie bestimmten über Landstreitigkeiten und regelten die Eheschließungen und Erbschaften. Sie regierten RübakinaMorie. Und niemand hätte es sich jemals gewagt, das Wort eines Händlers anzufechten. Der Rat der Händler hatte seit altersher stets fünf Mitglieder. Wenn ein Händler starb, wurde ein neuer vom Rat aufgenommen. Jeder Händler hatte einen Novizen, meist war es der älteste Sohn, die älteste Tochter. Blieb ein Händler kinderlos, so wählte er sich ein Kind das am talentiertesten erschien aus einer Bauern- oder Fischerfamilie zur Ausbildung. Dies war eine besonderende, große Ehre. Nur die Mutigsten der Mutigen und nur die Schlauesten der Schlauen konnten ein so schwieriges Amt bekleiden.

***

Selbst der kleine Kelib wußte davon, seine Tante wurde einst als kleines Mädchen von einem Händler auserwählt und war nun selbst eine Händlerin. Aber der Gedanke von Ehre bedeutete für den kleinen Kelib nichts. Er war auch noch zu klein, um über sowas nachzudenken.
Seine Gedanken kreisten um was ganz anderes. - Mutter hatte ihn zu Bett geschickt und er drehte sich aufgeregt von der einen auf die andere Seite … ‚schnell einschlafen - los schnell einschlafen' - Morgen, ja morgen war endlich der Tag da: sein fünfter Geburtstag.
Wenn in RübakinaMorie ein Junge fünf Jahre alt wurde, so legte er seinen Kinderkittel ab und bekam zum ersten mal in seinem Leben Hosen.
Die Mutter in der Stube der winzig kleinen Fischerhütte kniete vor der einzigsten Truhe, die im Hause war - sie wendete jedes Stückchen Soff hin und her - aber keins wollte für eine Hose reichen. Tränen liefen ihr über die Wangen. Mutlos lies sie die Arme sinken, dachte an ihren Mann, Kelib's Vater - er war nicht mehr heimgekehrt vom See, in jener Nacht, in der der heimtückischer Sturm gewütet hatte. ‚Kein Ernährer mehr da in der Familien und mein kleiner Kelib wird keine Hose bekommen' sie schluchzte leise.
Am nächsten Morgen nahm sie Kelib liebevoll in die Arme - küsste ihn und setzte ihm einen Kranz aus wohlriechenden bunten Blumen auf. ‚Lauf, geh spielen', damit schob sie ihn vor die Tür der Hütte.
Kelib stand da wie erstarrt - ihm wurde klar - es würde für ihn keine Hose geben. Er wusste, dass Mama jetzt hinter der Tür weinte, sie hatte kein Geld und keinen Stoff. ‚Was soll ich nur tun' heiße Tränen brannten in seine Augen. So konnte er nicht vor seinen Freunden blicken lassen im alten Kinderkittel. Ein tiefes Schamgefühl stieg in im hoch - er rannte, rannte los - weg, nur weg vom Dorf in die golden Felder hinein.

Als er ganz außer Atem war ließ er sich einfach auf den nächsten Feldstein fallen und schrie sein ganzen Leid in den höchsten Tönen hinaus aus seinen kleinen Lungen… Aber wie er dann schluchzend auf dem Stein hockte, beugte sich über ihn ein großer Schatten. Erschrocken schaute er hoch und blickte in ein fremdes Gesicht. Wirr und zottelig die grauen Haare - verrunzelt und ausgemerkelt die Gestalt des alten Bettleres. Aber mit warmen braunen Augen schaute er dem Jungen ins Gesicht: "Ein so herrlicher goldener Tag beginnt, mein Sohn, und du schreits als ob die Welt untergehen wird." - Zunächst war Kelib erschrocken, wollte wieder loslaufen aber wohin … der fremde Bettler setzte sich zu ihm auf den großen Feldstein und sprach: "Du brauchst Dich nicht zu fürchten - ich bin nur ein Wanderer, auf einer großen Suche, und es barmt mich, Dich hier so traurig sitzen zu sehen. Sag, was ist das für ein Kummer."
Nein, gefährlich sah er nicht aus, und so erzählt Kelib ihm von der fehlenden Hose, seiner Mutter und seinen Freunden im Dorf. Und der Bettler hörte zu und verstand. Auf einmal kam es Kelib weniger schlimm vor, das er nur einen Kinderkittel anhatte. Der Bettler trug ja auch nur eine schäbige zerissene Kutte. "Ja, das ist schon so eine Sache" sagte er. -
Ein kleiner Sperling mit einem Wurm flog neben sie auf den Weg und beäugte sie argwöhnisch - ein zweiter kam hinzu und versuchte dem ersten den Wurm wegzuschnappen. Die beiden Spatzen begannen sich laut schilpend um den Wurm zu streiten Kelib und der Bettler mußten lachen und Kelib bemerkte plötzlich, dass er sehr hungrig war. Er sah den noch schmunzelnden Bettler an und hatte eine Idee: "Komm mit - wir gehen zu meiner Mutter, ich lade Dich zu uns zum Frühstück ein."

Die Mutter stand vor der Tür und rief laut in alle Richtung seinen Namen. Kelib winkte ihr und sah wie seine Mutter erschrakt, als sie den Fremden sah. "Mama, ich habe einen Gast mitgebracht." - "… einen Gast ?" "Verzeiht mir Frau, Euer Sohn, war so freundlich, mich einzuladen - wenn ich nicht gelegen komme, so …" - "Nein, - bitte, tretet ein. Viel ist es nicht, was wir Euch anbieten können. Ihr seid einer von den ‚Reisenden Ijaschins, nicht wahr?". "Ijaschin, Ihr meint diesen wunderlichen Klosterorden, nein, Frau, aber ähnlich wie diese Mönche, bin auch ich auf der Suche" - "Ja, es ist sehr selten, dass sich jemand hierher verirrt, aber ich habe davon gehört, das es manche Menschen gibt, die es sich wagen sollen so allein zu reisen. Bitte nehmt Platz und teilt das Brot mit uns." Der Bettler erzählte der staundenen Frau von seiner Reise. Aber er merkte schnell, dass sie ihm nicht wirklich Glauben schenkte, wenn er von den Städten und Dörfern erzählte, durch die er während seinen Wanderungen gekommen war. "Diese werden doch belagert von Orks und Drows, das wissen wir genau", sagte sie - "Naja, das stimmt nur zum Teil…" Etwas verwundert, aber aus Respekt vor seiner Gastgeberin gab er dem Gespräch eine neue Wendung: "Berichtet mir doch von Euch und Eurem Leben hier, es scheint für mich so fremdartig, wie das meinige Euch." … Sie erzählte dann von dem Leben in RübakinaMorje, vom großen Sturm, in dem ihr Mann geblieben war.Das karge Frühstück war schnell verzehrt, Der Bettler erhob er sich, verbeugte sich vor seiner Gastgeberin. "Ich werde dann weiterziehen - jedoch nicht ohne mich noch bei Euch zu bedanken." - er öffnete sein Bündel und holte einen Gegenstand - eigentlich ein kleines schwarzes Kästchen mit einer metallen Kurbel oben drauf heraus. "Diese Mühle soll mein Geschenk für Kelib und Euch sein. Sie hat eine gar wunderliche Eigenschaft. Ich will sie Euch gern lassen - da ihr sie nötiger braucht als ich." Damit stellte er sie auf den Tisch "Sagt, was wünscht Ihr Euch am meisten?" - verdutzt sahen Kelib und seine Mutter den Bettler an: "Stoff für eine Hose für Kelib", sagte sie und Kelib nickte ganz entschieden.

"Mühle male im Handumdrehen: Stoff für eine Knabenhose in der Farbe " - er zwinkerte Kelib zu "blau wäre in Ordnung" - Kelib nickte ungläubig " in der Farbe BLAU" - Wie von Geisterhand bewegt, begann die Kurbel sich zu drehen - die kleine Lade an der Seite des schwarzen Kastens sprang auf und azurblauer Stoff quoll über den Tisch. Die Mutter schlug die Hände vor den Mund und Kelib hobste vor Begeisterung um den Tisch. "Jetz schaut genau, das ist sehr wichtig" - Der Bettler vollführte ein kreisende Handebewegung mit drei gespreitzen Fingern und die kleine Schublade schloss sich augenblicklich - der schöne Stoff lag vor ihnen auf dem Tisch. "Aufgemerkt, das ist das geheime Zeichen, mit dem man die Mühle wieder anhält. Bewahrt es gut im Gedächtnis - sonst habt ihr die ganze Stube voller Stoff." er zwinkerte dem Jungen zu "So, was nun als nächstes ? - Versucht es, bitte" Kelib brauchte nicht lang zum Überlegen "Kuchen - mit Streusel obendrauf" - "Frau, versuch es" ermunterte der Mann die Mutter. Zögerlich begann sie "Mühle mahle im Handumdrehen: Kuchen" die Mühle drehte los - das Kästchen sprang auf und der Tisch füllte sich mit den leckersten Kuchen - "Schnell, das geheime Zeichen zum Anhalten, sonst wissen wir nicht, wo wir all den Kuchen hintun sollen" Kelib macht das Zeichen - drei Finger gespreitz und kreisen. Die Mühle hielt an. Die Mutter wandte sich um, sie wollte sich bei dem Fremden bedanken - aber dieser verschwunden, einfach nicht mehr da…

Lange Zeit zum sich Wundern hatten die zwei nicht. In dem Moment fuhr eine Kutsche vor und hielt direkt vor ihrer Hütte. Zwei schwarzgekleidete Gards stellten sich neben die Kutschentür und öffneten. Heraus kam eine reich gekleidete Dame mit einem Paket unter dem Arm. "Naja, will mal nicht so sein - und meiner Schwester helfen - verdient hat sie es zwar nicht. Keinen Mann, der Waren herstellen könnte, läßt sie in ihr Haus und in ihr Bett. Aber ich will mal nicht so sein, vielleicht wird aus dem Kleinen ja mal was - ich bring ihr Stoff, mag sie ihrem Sohn daraus eine Hose nähen."
Die reiche Händlerin Sina betritt die kleine Fischerhütte. "Was ist denn hier los ?" verwundert erblickte sie die Kuchenberge. "Ich wollte Euch eigentlich den Stoff vorbeibringen, aber wie ich sehe - habt ihr daran keinen Bedarf, lebt in Saus und Braus." "Nein, Schwester, hört doch, was uns wunderliches wiederfahren ist." Und die Fischerin berichtete ihrer Schwester die wundersame Begegnung mit dem dem Bettler und zeigte ihr die Mühle. "Wie, was, aus solch einem kleinen Ding, soll all dies kommen? Das will ich sehen" "Ich zeig es Dir, wünsch Dir was" Die Händlerin hob eine Augenbraue - "Kupferstücke" sagte sie. "Mühle male im Handumdrehen: Kupferstücke". Die Mühle begann ihr Werk - staunend riß die Händlerin die Augen auf und wühlte mit den Händen in den herausquellenden Kupferstücken herum. Die Mutter nickte lächend dem Kelib zu, er solle jetzt das Zeichen machen. Kelib tat, wie ihm geheißen. "Das ist ja wunderbar, phantastisch" - japste die Händlerin noch immer wonnig ihre Hände in dem Kupferstückend bandend … dann ging ein Schatten über ihr Gesicht - sie sah ihre Schwester an. "Hör zu, Du darfst das ganze Geld behalten. Es steht Dir zu sowie der Stoff und Kuchen. Als Händler verlange ich jedoch meinen Anteil, wie es Brauch ist - ich wähle die Mühle." Mit diesen Worten pakte sie das kleine Kästchen und wandte sich zur Tür. "Schwester, - das kannst Du doch nicht tun" verzweifelt lief die Mutter hinter der Händlerin her, die aber bereits ihre Kutsche und die wartenden Gards erreicht hatte. "Gib sie zurück, das war doch ein Geschenk, Sina, dies ist kein Handelsgut…" - "Jetzt ist aber Schluß. Du vergißt Dich wohl. Du wirst doch wohl nicht mit einer Händlerin um die große Verteilung streiten wollen. Ich habe einen Schiedsspruch getroffen. Dein ist das gesamte Geld, der Kuchen und der Stoff. Der Händlerteil ist das Kästchen. Ich war sehr großzügig mit Dir. Sei dankbar den Händlern. Ich wünsche noch einen schönen Tag". Sie gab den Gards das Zeichen zur Abfahrt und die Kutsche fuhr los.
Fassungslos stand die Frau da und sah der Kutsche hinterher. Eine kleine Hand schob sich in die ihre … "Komm," sagte sie "wir wollen Dir jetzt Deine Hose nähen" ….

***

"Dies kleine Ding kommt gerade zur rechten Zeit" - Sina drehte die Mühle in ihren Händen hin und her -"jetzt kann dieser Jurkisch sein blaues Wunder erleben. Mir den Platz im Rat streitig machen wollen - pah. Damit ist jetzt Schluss, mein Lieber, damit ist jetzt Schluß - heute abend beim großen Seefest ja da werd ich Dir zeigen, wer hier die das höhere Ansehen verdient hat …"

Das große Seefest wurde jedes Jahr gefeiert. Es war das Fest zu Ehren der Fischer und für Preisung und Lobgesang zu den Fischfängen des letzten Jahres. Alle Boote wurden geschmückt und mit Laternen beleutet fuhr man gemeinsam hinaus auf den See. Am Ankerplatz angekommen, banden die Fischer die Boote aneinander und hielt allerei lustige Spiele bei Musik und Gesang. Das größte aller Boote war das der Händler, sie blieben dabei aber unter sich und feierten abseits vom allgemeinen Trubel auf ihre eigene Weise oder schauten dem bunten Treiben der einfachen Leute zu.

Das Ansehen der Händlerin Sina stand in der letzten Zeit nicht mehr zum Besten, die anderen Händler redeten hinter ihrem Rücken. Sie war keine gebürtige, stammte aus dem einfachen Volk, sie war nur ein Weib, hätte zuviel Nachsehen mit den einfachen Leuten. Wer weiß, ob sie nicht schwach wurde und sogar die Händlergeheimnisse --- pfff - nicht auszudenken. Kurzum, man traute ihr nicht. ‚Aber in dieser Nacht', so dachte sich Sina, ‚in dieser Nacht, Freunde, werde ich Euch beweisen, dass ich eine wahre Händlerin bin, das ich an die Spitze gehöre, jawoll.'

Es war eine wunderschöne, sternenklare Nacht - Musik hallte über das Wasser und die Boote schienen sich wie im Reigen dazu zu bewegen. Alle fünf Händlerfamilien waren versammelt an der großen Festtafel mittschiffs. Nachdem das Mahl beendet, die ersten Gespräche verebbten, stand die Händlerin Sina auf und wandte sich an ihre vier Kollegen: "Freunde - ich habe hier ein gar kostbares Handelsgut", sie schlug das Tuch zurück, in der sie die Mühle eingewickelte hatte. "Das ich Euch gern vorführen möchte." - sie stellte die Mühle auf den abgeräumten Tisch. "Unter uns, wie nur wir Händler es wissen, verschlingt die Unterhaltung der Truppen und Armeen der Länder zur Zeit die Vorräte aller Dörfer und Städte. Der Krieg verlangt von allen Ländern unzählige Opfer. Es steht allgemein überall sehr schlecht. Was aber wäre, wenn wir Händler RübakinaMories den Oberbefehlshabern der Armeen die Versorgung erleichtern könnten. Brüder und Schwestern, stellt Euch doch vor - welches Ausmaß an Gewinn könnte erzielt werden, wenn jemand die Lösung vom Transport zur Versorgung der Truppen anzubieten hätte." Die anderen vier Händler schauten einander fragend an … "Ja, das wäre mal ein Riesengeschäft - worauf willst Du hinaus, Sina ?" - Jurisch kiecherte: "Sina, was spielst Du Dich hier so auf - die Geschäfte gehen doch besser als je zuvor. Ausgeblutet wie die Städte geradezu sind, reißen sie uns doch die Waren aus den Händen. Unsere Gewinne waren noch nie so hoch, wie in den jetzigen Kriegszeiten. - Wenn Du etwas umsichtiger wärest, würdest Du nicht immer nur die Dörfer bereisen - dann wären auch Deine Einnahmen erheblich größer". … applausheißschend guckte er in die Runde "Was soll das, Sina, was willst Du uns hier erzählen und was ist das für ein Ding da", verlangten auch die anderen zu wissen.
"Nun ja, dieses Ding hab ich kürzlich … erworben. Es verfügt über magische Kräfte. So kann man mit ihm zum Beispiel alle Sorten Lebensmittel herbeischaffen, die man benötigt und zwar zu dem Zeitpunkt, wann man sie benötigt. Stellt Euch vor - eine Karawane auf dem Weg nur beladen mit diesem Kästchen - vor Ort aber läßt man das Kästchen seine Wunder vollbringen und die Karawane zieht beladen mit den begehrtesten Handelsgütern auf dem Markt ein. - Man streicht den Gewinn ein und zieht mit dem Kästchen direkt zum nächsten Markt - ohne zuvor neue Lebensmittel von zu Hause holen zu müssen." "Und das soll das Kästchen hier können ?" Schallendes Gelächter erhob sich - "Sina, das zeig uns mal" prustete Jurisch heraus … "Und ob ich Euch das zeige - so sagt, was wollt Ihr als erstes sehen" - Die Händlerin Anna - hob lachend die Schultern "den meisten Gewinn hatte auf dem letzten Markt das Salz gebracht, ich dachte noch - schade, das wir keins herstellen können, damit hätten wir dort gut abkassieren können." - "Gut also Salz - Aufgepaßt !" Sina, wendete sich dem Tisch zu: " Mühle mahle im Handumdrehen: Salz." Vor den staundenden Augen der Händler begann die Mühle ihr Werk - bald war der Tisch voll Salz. Die Händler hatten schnell ihr erstes Erstauen verloren "Tatsächlich" - "Es ist ein Wunder." "Sina, weißt Du was das für ein Schatz ist". Sina stand selbstgefällig da. "Ich hab es Euch ja gesagt." Das Salz lief über den Tisch hinaus und rieselte auf die Planken des Bootes. Die Händler diskutierten durcheinander. Geschäftsideen flogen auf wie Funken in den Nachthimmel - Diskussionen entbrannten um Gewinnspannen, deren Ausmaß nicht auszudenken war. Man sprach durcheinander über fremde Geschäftspartner, die man jetzt auszubooten konnte- um Eroberung von Märkten … Sina stand seelig lächelnd daneben. Trat einen Schritt zur Seite - es knirschte unter ihren Schuhen - da wurde sie leichenblass - "Mühle halte an" schrie sie unvermittelt los - sofort war es ringsherum ganz stll - "Anhalten, ich befehle es …hmm Mühle im Handumdrehen: Bleibe stehen" … nichts geschah, im Gegenteil, die Mühle brachte immer mehr Salz hervor, schneller und immer schneller - Alle sahen mit Entsetzen auf die Salzmenge, die inzwischen überall war - auf die hilflos dastehende Sina und auf den Wasserspiegel, - sie begriffen - er stieg und stieg - schneller und immer schneller … "Halt sie an, das muß aufhören" schrie einer "Werft die Mühle über Bord" rief ein nächster - "Ruft meine Schwester - ruft Kelib" kreischte Sina - einer versuchte durch die Salzmassen an die Mühle heranzukommen, aber seine Beine versanken im Salz.Es konnte sich niemand mehr vorwärts bewegen. Einige Gards, die am nächsten zur Reeling standen, schafften es noch über Bord zu springen. Aber die anderen Boote waren weit entfernt, wer gut schwimmen konnte, hatte noch gewisse Aussichten auf Rettung. Die fünf Händler aber in der Mitte des Bootes versanken im Salz beim Versuch die Bordwand zu erreichen. Dann schwabbte das Wasser über die Reeling. In Bruchteilen von Minuten war das Schiff gesunken.

Aus der Ferne wurde auf einem der hinternen Fischerbooten der Vorgang bemerkt, einer rief etwas - die Musik erstarb. Man hörte die gellende Schreie der Verzweifelten vom Prunkboot der Händler. Deutlich hörte man sogar einige Wörter "über Bord" und "Schwester" und "Kelib" .. Alle blieben stehen und sahen dem Sinken des Prachtbootes zu - wie die Lichter erloschen und es einfach im Wasser verschwand. Einige Fischer banden schnell ihre Boote los und ruderten auf die Stelle zu. Sie zogen vier überlebenede Gards aus den Fluten, aber diese konnten und wollten nicht berichten, was dort wirklich geschehen war. - Man brachte die Erschöpften an Land und pflegte sie.

Tage später erst fingen die Menschen an das ganze Ausmaß zu begreifen. Alle fünf Händler waren tot - alle auf einmal gestorben. Auch ihre Familien, die Novizen - alle tot. Niemand würde mehr aufbrechen mit den Karawanen. Die Gards verschwanden einfach. Man sah noch welche bei Nacht und Nebel abziehen - aber das war es dann auch schon. Die Vorgänge jener Nacht blieben rätselhaft. Eine Witwe der Fischer erzählte eine merkwürdige Geschichte von einem Bettler und einer Wundermühle… aber die Frau ist sicher vor Kummer wahnsinnig geworden - was sollte dies mit der Katastrophe zu tun haben.
Das Leben geht weiter - jeder wandte sich wieder seinen Tagesgeschäften zu, was solllte man denn auch sonst tun. Die fünf weißen Häuser verweißten - niemand wagte jemals, sie zu betreten.

Kelib stand am Ufer des Sees und schaute hinaus auf das Wasser in seinem kleinen Kopf jagten sich die Gedanken - auch er hatte gesehen, wie das Boot der Händler verschwand und die Lichter erloschen er hatte seinen Namen gehört… noch konnte er nicht verstehen - aber es blieb ein Gefühl - bohrend und beißend - ein Gefühl von Schuld …

Ende Teil 1